Kompetenzinseln

Systemisches Werkzeug für die Arbeit mit Flüchtlingen: Wie Resilienz bei Flüchtlingen und Helfern gefördert werden kann

Die Kompetenzinsel legt den Akzent darauf, mit Hilfe systemischen Denkens und Handelns die Teilnehmer so in ihrer aktuellen Arbeit zu unterstützen, dass sie den besonderen Anforderungen gewachsen sind.

Wie können die Helfer, die mit Flüchtlingen arbeiten, befähigt werden mit einer ausgewogenen psychischen Balance den gestiegenen Herausforderungen bedingt durch die aktuelle überproportional ansteigende Zahl von Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen gerecht zu werden?

  • Die eigenen Ressourcen (auch verdeckte) aktivieren
  • Die vorhandenen Resilienzen stärken und trainieren
  • Sich mit den Grundzügen von Trans- und Interkulturalität konstruktiv auseinandersetzen
  • Einen systemischen Umgang mit möglicherweise vorhandenen Traumatisierungen finden und die andere Seite – Ressourcen und Resilienzen, die zur Bewältigung der Flucht geholfen haben – nicht außer Acht lassen
  • Sich der eigenen Selbstfürsorge bewusst werden, um die Flüchtlinge fürsorglich begleiten zu können.
  • Besonders am Herzen liegt mir, die körperliche und seelische Gesundheit der Helferinnen und Helfer mit dem Ziel, eigene Grenzen der Belastbarkeit zu erkennen und diese nicht zu überschreiten.

Haja (Johann Jakob) Molter

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Amygdala-Flüsterer – Was brauchen Trauma-Überlebende?

Auf dieser Kompetenz-Insel soll im Meer der unterschiedlichen Interventionsmöglichkeiten nach Traumata darüber gesprochen werden, welche Hilfeform Traumatisierte nutzen können, um ihr auf Notfallschaltung eingerichtetes Gehirn wieder in allen Facetten zu nutzen und in Prozessen des „angetriggert seins“ Reaktionen auf die Wahrnehmung von Trauma-Fragmenten steuern zu können. Wie können Trauma-Überlebende zu Amygdala-Flüsterern werden?

Alexander Korittko

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Kultursensibilität entwickeln

Jeden Tag packe ich den Koffer
ein und dann wieder aus.

Morgens wenn ich aufwache,
plane ich die Rückkehr,
aber bis Mittag, gewöhne ich mich
mehr an Deutschland.

Ich ändere mich
und bleibe doch gleich und
weiß nicht mehr,
wer ich bin.

Jeden Tag ist das Heimweh
unwiderstehlicher,
aber die neue Heimat, hält mich fest
Tag für Tag noch stärker.

Alev Tekinay

Momentan bewegen uns sowohl in unserem Berufsalltag als auch in unserem Alltag Menschen aus anderen Kulturen, die ihren Weg nach Deutschland gefunden haben. Und wir merken immer wieder, dass wir mit unserem kulturellen Verständnis und dem Verständnis über die Situation, in denen sich die Flüchtlinge und Asylsuchenden befinden, an Grenzen stoßen.

In dieser Kompetenzinsel soll es darum gehen, sich in kulturelle Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten einzudenken und somit ein Gespür dafür zu entwickeln, wie wir Menschen mit Migrationshintergründen in unserem Berufsalltag unterstützend gegenüber treten können. Das oben aufgeführte Gedicht soll einen ersten Einblick in die Gedanken und Gefühle von Migranten geben.

Vertiefend soll auf die kulturellen Gegebenheiten in Bezug auf Geschlechterverhältnisse, Sozialisierung und Erziehung, Persönlichkeit, Körper- und Gesundheitsverständnis sowie familienbezogene Arbeit eingegangen werden. Hier soll anhand von Beispielen, die gerne auch von den Teilnehmer eingebracht werden können, Umgang mit verschiedenen Situationen erarbeitet und ein Verständnis für die Handlungsweisen des Gegenübers entwickelt werden.

Sena Habib, Diplom-Pädagogin, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin (Verhaltenstherapie), momentan tätig in der kinder- und jugendpsychiatrischen Institutsambulanz des Kinderhospitals Osnabrück

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UMF – Handlungsoptionen für Herausforderungen im pädagogischen Gruppenalltag

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden nach der Inobhutnahme durch das Jugendamt in der Regel in pädagogisch betreuten Gruppen untergebracht. Von hier aus startet die Erziehungshilfe mit Beschulungsangeboten, Fördermaßnahmen, ersten Integrationsschritten, Hilfen zur Gestaltung des Alltags usw.

Neben den Herausforderungen, die sich aus der sprachlichen Barriere, der Multikulturalität und der Multireligiösität der Gruppenzusammensetzung ergeben, stellt der Umgang mit den Folgen der oft traumatischen Fluchterfahrungen eine weitere Besonderheit in der Betreuung dieser Zielgruppe dar. Übererregung, Vermeidungsverhalten, Schlaflosigkeit, Verlust von Vertrauen – die Vielfalt und oftmals die Intensität der Folgesymptome erschrickt nicht nur die Jugendlichen selbst, sondern auch die pädagogischen Fachkräfte.

Gelingt es, im Alltag auf die besonderen Bedürfnisse einzugehen, die sich in Folge der Trauma-Symptomatik einstellen, kann das neue Umfeld zum Ort für Schutz, Neuanfang und korrigierende Erfahrungen werden.

Rodica Anuti-Risse, Diplom-Psychologin, Psychodrama-Therapeutin, Psychologische Psychotherapeutin i.A., Einrichtungsleitung AWOClearinghaus Dortmund

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Am Sa., 25.6. 2016:

Die Heilungskräfte des Körpers wahrnehmen, erkennen und einbeziehen: Wie können wir traumatisierte Menschen unterstützen sich wieder lebendig zu fühlen und ihre Selbstregulierung wiederzufinden?

Folgen von Traumatisierungen drücken sich stark durch den Körper aus:

  • Welche Überlebens- und Schutzimpulse können wir in diesen körperlichen Signalen erkennen und wahrnehmen? Wie drückt sich die Suche nach Sicherheit und Orientierung aus?
  • Wie können wir durch körperorientierte Interventionen traumatisierte Menschen unterstützen den Kontakt zu ihrer Kraft und Lebendigkeit wiederzufinden und das Vertrauen in die Selbstregulierung zu stärken?
  • Wie können wir mit einer Sicherheit gebenden und vertrauensvollen Haltung geflüchteten Menschen begegnen?

Anhand einiger Übungen und Beispiele wollen wir uns diesen Fragen annähern.

Bernadette Betz-Gillet, Dr.med. Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Systemische Familientherapeutin und Supervisorin (IFW), Eutonie Pädagogin und Therapeutin nach Gerda Alexander, in Ausbildung in Somatic Experiencing nach Peter Levine

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Am So., 26.6. 2016:

Ohne Körper kommt der Kopf nicht durch die Tür oder Körper und Trauma – Körperfokussiertes Arbeiten in systemischen Praxisfeldern

Schon seit einigen Jahren gibt es in der Szene der Therapie und Beratung eine Hinbewegung zur bewussteren Nutzung des Körpers in der Arbeit. Auch in der psychotraumatologischen Forschung und Praxis werden die Auswirkungen und Nutzung des Körpers mehr beachtet. Theoretische Hintergründe hierzu sind Forschungsrichtungen, wie z.B. Embodiment, Priming-Forschung, TCM, Psychotraumatologie, u.a.

Die Teilnehmer/innen sollen im Rahmen dieser Kompetenzinsel verschiedene Konzepte kurz kennenlernen, um ein besseres Verständnis für Möglichkeiten des körperfokussierten Arbeitens in ihren eigenen Kontexten zu bekommen und die Auswirkungen von Traumata auf den menschlichen Organismus besser zu verstehen. Im Speziellen wird eine Fokussierung auf das TRE von David Berceli

gelegt, da es sich um eine rein körperliche Übungsserie handelt, die mit Großgruppen durchgeführt werden kann. TRE steht für „Trauma- and tension release exercise“ (mehr unter www.traumaprevention.com)

Daniel Timpe, Dipl.-Soz. Arbeiter, Systemischer Therapeut (DGSF) und Supervisor (ifs)

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Überlebensstrategien für Flüchtlinge und Helfer

Frauen, Männer und Kinder, die in unser Land geflohen sind, haben häufig schon vor und erst recht während ihrer Flucht in lebensbedrohlichen Situationen gelebt. Um diese Situationen auszuhalten und zu überleben, haben sie Überlebensstrategien entwickeln müssen. Überlebensstrategien oder bestimmte Ich-Zustände waren auf der Flucht und in traumatischen Situationen also eine Überlebensantwort. Allerdings können diese Überlebensstrategien auch zu Problemen führen: Dissoziative Zustände, die das episodische Gedächtnis angreifen, die Steuerungsfähigkeit untergraben und flash-backs hervorrufen, können entstehen. Endlich hier angekommen, werden diese Überlebensstrategien auch in nach außen nicht so bedrohlich wirkenden Situationen angetriggert. Sie sorgen für Reaktionen, die das gesamte System bestimmen und die Helfer oftmals in hilflose Situationen bringen und die Ohnmacht des Gegenübers spürbar werden lassen. Die Traumatisierung steckt in der Regel also auch das Helfersystem an. Zustände im Überlebensmodus haben auch einen kommunikativen Charakter. Sie sind oft die einzige Möglichkeit, wie traumatische Erfahrungen zum Ausdruck kommen können.

Auf dieser Kompetenzinsel werden wir an Hand von Beispielen der Teilnehmer innere Prozesse genauer betrachten und äußere Handlungsschritte erarbeiten. Erst-Hilfe-Themen für Helfer werden sein:

  • Mein innerer sicherer Ort als Helfer: „Ruhe bewahren“
  • Einschätzung von belasteten Situationen
  • Erkennen: Welche Mitteilung steckt in einer Überlebensantwort?
  • Wie kann ich Sicherheit gewinnen und vermitteln, Bindungsorientierung geben?

Ein sicherer Umgang in belastenden Situationen hilft auch den Menschen, mit denen wir arbeiten, ihrem „Notfallprogramm“ irgendwann einen guten inneren Platz zu geben.

Angelika Pannen-Burchartz, Dipl.-Soz. Pädagogin, Systemische Therapeutin, Traumatherapeutin und EMDR-Therapeutin

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Herausforderungen für Fachkräfte in der Jugendhilfe: Ideen – Impulse – Fragen

Die Einführung einer bundesweiten Aufnahmepflicht mit einem Verteilungsverfahren und der Primärzuständigkeit des Jugendamtes für Erstversorgung, Unterbringung, Clearingverfahren sowie anschließender Hilfeleistungen für unbegleitete minderjährige geflüchtete Kinder und Jugendliche bedeuten für Kommunen und Kreise mit den Jugendhilfeträgern kurzfristig Kapazitäten und örtliche Netzwerke zu schaffen, um dieser Aufgabe in gemeinsamer Verantwortung gerecht zu werden.

Die Analyse und Förderung des Allgemeinzustandes, der Bildung und der Arbeitskompetenz stellt hierbei eine wichtige Grundlage zur sozialen Integration dar, um ein Abgleiten in persönlich schwierige, gesellschaftlich nicht konforme Lebenssituationen zu verhindern.

Für die praktisch arbeitenden Fachkräfte kennzeichnen Herausforderungen wie Sprachbarrieren, individuelle Fluchtgeschichten, Traumatisierungen, unerfüllte Erwartungen, Kultursensibilität, sich ständig ändernde und häufig unklare oder nicht einheitliche Vorgaben und Vorgehensweisen im administrativen Bereich den Arbeitsalltag.

Um diesen besonderen Herausforderungen durch die große Anzahl der schutzsuchenden Minderjährigen fachlich besser begegnen zu können, wollen wir auf unserer Themeninsel Ideen, Impulse und Fragen sammeln. Denn gut gestellte Fragen unterstützen die Optionserweiterung und die Problemlösung.

Antje Leitheiser, Fachbereichsleitung, und Conny Kowitz, Pädagogische Leitung des LWL-Heilpädagogischen Kinderheims Hamm

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