Jenseits des magischen Sechsecks: Vom Alltagsleben zur Dynamik relationaler Netze – und zurück

<Workshop 22>

Rainer F. Sonntag
11.11.2017, ganztägig (09:00 bis 12:00 und 14:00 bis 18:00 Uhr)

Ausgehend vom Hexaflex-Modell möchte ich ACT in diesem Workshop in einen umfassenderen Kontext stellen. Wir beginnen da, wo wir alle schon immer sind: im Kontext unseres gewohnten Alltags und der uns gewohnten Alltagsbegriffe (z.B. Mann, Frau, Gefühl, Gedanke, Tisch, Hund etc.). Von dort wandern wir im Uhrzeigersinn zur Frage eines CBS-gemäßen Menschenbildes (anthropologischer Kontext; Wie unterscheiden sich Katzen und Menschen?; unsere eigenen Werte) und über die Kontexte der therapeutischen Praxis (Was ist eigentlich Therapie?), des sozialen Zusammenlebens (therapeutische Beziehung und Gesellschaft; Perspektivenwechsel) und der philosophischen Besinnung (Weltanschauungen; die Frage: Was sind eigentlich Gründe?) bis hin zur wissenschaftlichen Grundlegung (Naturgeschichte als Ort der „middle level terms“; Verhaltensanalyse; RFT; Evolutionswissenschaft; Naturschutzökologie als Vorbild einer hochkomplexen Anwendung von Wissenschaft jenseits berechenbarer Kontrollierbarkeit).

Sodann werden wir den wissenschaftlichen Hintergrund praxisorientiert noch weiter in den Vordergrund holen. Wir schauen uns die Verhaltensentwicklung als einen natürlichen Selektionsprozess an, in dessen Verlauf sich – zum Segen oder Fluch – immer komplexere relationale Netze entwickeln. Schließlich untersuchen wir therapeutische Maßnahmen als Unterstützung von Menschen im Prozess ihrer Verhaltensentwicklung anstatt als Behandlung psychischer Störungen. 

Der Zweck dieser Besinnungsübung ist ein zweifacher. Erstens soll er einen praxisnahen theoretischen Hintergrund liefern, der es erleichtert, funktional im therapeutischen Prozess zu arbeiten und in der fließenden Interaktion mit dem Patienten Metaphern und Übungen fortlaufend zu erfinden bzw. bereits bekannte prozessorientiert anzupassen. Zweitens soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass ACT auf diesem Planeten nicht allein existiert. Dass heißt, dass es die in diesem Workshop vorgestellte Hintergrundbeschreibung den Teilnehmern erleichtern soll, Beziehungen zu anderen therapeutischen Schulen sowie vielfältigen wissenschaftlichen, philosophischen und praxisbezogenen Auffassungen zu untersuchen und auf ihre Kompatibilität mit ACT, RFT und CBS zu überprüfen.

Der Stoff wird neben theoretischen Diskussionen mit praktischen Übungen und videoaufgezeichneten Rollenspielen entwickelt.

Zielgruppe: Alle, die an einer feinkörnigen und erfinderischen Entwicklung therapeutischer Maßnahmen in Zusammenarbeit mit Patienten interessiert sind und sich entweder gerne mit Theorie befassen oder die an einer Theoriephobie leiden, von der sie sich den Umgang mit Theorie nicht länger verbieten lassen wollen. Ansonsten sollten Teilnehmer über gute Grundkenntnisse der ACT verfügen.