Wissenschaftliche Anerkennung der Systemtherapie

Hintergrundinformationen

Der Wissenschaftliche Beirat hat im November 2008 die Systemtherapie als wissenschaftliches Psychotherapieverfahren bei Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen anerkannt. Damit ändert sich die gesundheitspolitische Landschaft der Psychotherapie in der BRD. Das wirft einige Fragen auf, die uns von unseren Teilnehmer*innen auch gestellt werden. Hier die wichtigsten Antworten:

Was heißt wissenschaftliche Anerkennung?

Hintergrund ist das Psychotherapeutengesetz. Dieses legt fest, nach welchen wissenschaftlichen Verfahren Psychotherapien durchgeführt werden dürfen. Der Wissenschaftliche Beirat gibt Empfehlungen darüber, welche Verfahren für eine vertiefte Ausbildung zugelassen werden können. Bisher anerkannt sind Psychoanalyse, Verhaltenstherapie und seit jüngerer Zeit Gesprächspsychotherapie. Nun kommt die Systemische Therapie dazu.

Bedeutung der wissenschaftlichen Anerkennung

Das hat zwei Bedeutungen: Fachlich ist es die Gleichstellung mit den anderen Verfahren, worauf man sich nun auf verschiedene fachliche Felder berufen kann.

Politisch bedeutet es, dass Ausbildungen in diesem Verfahren zur Approbation führen können.

Approbation

Wer in der Medizin oder in der Psychotherapie approbiert ist, darf dort grundsätzlich heilkundig tätig sein. Sonst wäre dies strafbar oder man müsste über den Status eines Heilpraktikers verfügen.

Die Approbation erlangt man durch die erfolgreiche Teilnahme an der Psychotherapieausbildung, die durch eine staatliche Prüfung abgeschlossen wird.

Therapien durch Approbierte werden von  fast allen privaten Krankenversicherungen bezahlt, wobei die Mehrzahl der Versicherungen noch zusätzlich den Eintrag ins Arztregister einer KV fordert (s.u.). Bei gesetzlichen Krankenkassen kann man nur abrechnen, wenn man als Psychotherapeut zusätzlich über eine Zulassung der KV verfügt (siehe unten: Kassenabrechnung).

Konsequenzen für die ST-Ausbildung

Wer eine Ausbildung mit dem Ende einer Approbation durchführen will, muss als staatliches Ausbildungsinstitut anerkannt sein. Die Anerkennung erfolgt nach einem eigenen Anerkennungsverfahren. Die Prüfungen am Ende einer Ausbildung erfolgen nicht mehr nur durch die Lehrtherapeuten des Instituts, sondern durch staatlich beauftrage Personen (meistens zum Teil von Seiten des Institutslehrkörpers und von Universitäten).

Die anerkannten Institute müssen neben dem Curriculum in der Regel einiges Weitere vorhalten:

  • Fürsorge für oder sogar Sicherstellung einer praktischen Ausbildung der Teilnehmer*innen. Zu dieser gehört ein Jahr stationäre Erfahrung und 600 Std. im ambulanten Bereich.
  • Das Curriculum muss möglicherweise auch andere als die in der ST bisher vermittelten Inhalte haben (z. B. „Krankheitslehre“).
  • Ausrichtung an Ausbildungs- und Prüfungsordnungen der Länder: Die Länder erlassen jeweils Ausbildungs- und Prüfungsordnungen, an denen sich die Institute zu orientieren haben.

Kassenabrechung / Kassenzulassung

Die wissenschaftliche Anerkennung bedeutet nicht die Kassenzulassung eines Verfahrens. Das regelt ein anderes Gesetz (Sozialgesetzbuch SGB V). Dieses Gesetz sieht vor, dass ein gemeinsamer Ausschuss aus Krankenkassen und Leistungserbringern (der sogenannte „gemeinsame Bundesausschuss“) unabhängig vom Wissenschaftlichen Beirat bestimmt, ob die Kassen ein bestimmtes Therapieverfahren bezahlen. Beirat und Ausschuss stimmen sich mittlerweile ab. Die Gesprächspsychotherapie wurde vom Beirat als wissenschaftlich anerkannt, vom Ausschuss als Kassenleistung nicht.

Zulassungsverfahren als Kassenpsychotherapeut*in

Wenn man die Approbation in einem Verfahren hat, das bei der Kasse gemäß Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses zugelassen ist, hat man den sogenannten „Fachkundenachweis“ (in Verhaltenstherapie, Psychoanalyse, …). Dann kann man bei einer KV einen Eintrag in die vertragspsychotherapeutisch zugelassenen Kolleginnen und Kollegen beantragen („Eintrag ins Arztregister“).

Da fast alle Kassensitze in den Regionen der BRD heute mit Psychotherapeut*innen besetzt sind, kann man mit den gesetzlichen Krankenkassen nur dann abrechnen, wenn man einen entsprechenden Sitz als Psychotherapeut*in/Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeut*in von jemanden erwirbt, der seine Praxis abgibt oder wenn man sich in eine Praxiskooperation begibt (z.B. Jobsharing, Anstellungsverhältnis, MVZ).

Psychotherapeutenkammer

In den Kammern ist jede/jeder Approbierte(r) Pflichtmitglied. Die Beantwortung der Frage, wer approbiert und daher Kammermitglied ist, liegt nicht in Händen der Kammer, sondern des Gesetzgebers. Die Kammern setzen sich für die politischen Interessen der Approbierten ein und vertreten diese nach außen. Sie haben auch Verwaltungsaufgaben, wenn es z. B. darum geht, welche Fortbildungen für den Erhalt der Approbation anerkannt werden.

Wer erhält welche Approbation?

Es gibt zwei: Approbation als psychologische*r Psychotherapeut*in im Erwachsenenbereich und Approbation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in. Psycholog*innen können beides werden. Zweiteres können auch Pädagog*innen werden. Alle anderen Berufsgruppen sind ausgeschlossen. Ärzt*innen können auch Psychotherapie durchführen. Das regelt aber ihre Kammer nach eigenen Weiterbildungskriterien. Für sie gilt das Psychotherapeutengesetz nicht. Für sie gilt aber die Entscheidung des gemeinsamen Bundesausschusses nach SGB V.

Übergangsbestimmungen

Ob und nach welchen Kriterien Kolleginnen und Kollegen, die bisher in Systemtherapie ausgebildet wurden oder derzeit in Ausbildung sind, zur Approbation gelangen können, wird vermutlich eine Übergangsbestimmung festlegen.

Was kann jetzt gesagt werden?

Die politischen Hintergründe sind hier dargelegt. Wie dies in konkrete Entscheidungen umgewandelt wird für die Systemtherapie, wird in nächster Zeit entschieden werden.

Das IFW wird seine Ausbildungsteilnehmer*innen dann über den Stand informieren und das auch tun, wenn es Änderungen gibt.

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